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AG Nachhaltigkeit: Gastbeitrag unseres Kooperationspartners Germanwatch e.V. Engagement in Zeiten multipler Krisen

am 05.09.2022 - 12:43 Uhr

Mitgestaltung statt Angst und Frust, öffentliches Engagement für die eigenen Ziele statt Wegducken hinterm Lagerfeuer? Bleibende Zeichen setzen und dem eigenen sozialen und ökologischen Auftrag gerecht werden? Wie kommen wir als Gruppen und als Einzelne dahin?

Dieses Jahr bringen fast alle aus dem Urlaub ihr persönliches Andenken an die Klimakrise mit. Hitzewellen, ausgetrocknete Flussbetten oder Seen, Wasserrationierungen und viel mehr. Verschärft wird das Bild einer Welt in multiplen Krisen durch die Folgen des russischen Angriffskrieges: Extreme Steigerung der Getreidepreise mit der Zunahme des Hungers an vielen Orten in der Welt und der sich verschärfenden Energiekrise mit den für viele Verbraucher*innen schwierig zu tragenden Energiepreisen.

Die steigenden (Temperatur-) Kurven sind Kurven zunehmender Unsicherheiten. Jugendverbände beziehen Position und haben keine Angst anzuecken. Das ist jetzt notwendiger denn je. Doch wie werden Gruppen zu Akteur*innen der Transformation? Welche Ideen und Angebote helfen hier?

Auch wenn wir als Menschen und (Jugend-) Gruppen selber möglichst wenig und immer weniger Treibhausgase emittieren – bis zur eigenen Treibhausgasneutralität, die als Ziel beschlossen werden sollte - so darf dieser Blick auf unseren ökologischen Fußabdruck uns nicht daran hindern, wirksamere Klimapolitik zu fordern und uns selber laut und strategisch geschickt dafür einzusetzen. Ja, auch Menschen, die Treibhausgase emittieren dürfen und sollen sich für Klimaschutz einsetzen! Denn zu oft führt der Blick auf und die Beschäftigung mit dem ökologisch-sozialen Fußabdruck dazu, Nachhaltigkeit (wieder) in den Privatbereich abzuschieben oder politisches Engagement zu verhindern mit dem Gedanken „Ich tu doch schon so viel“. Die Wurzeln des ökologischen Fußabdrucks finden sich auch deswegen in den Strategieabteilungen fossiler Konzerne. Die Beschäftigung mit dem Fußabdruck führt kaum oder gar nicht dazu, dass die Strukturen in der Gesellschaft sich hin zu mehr Nachhaltigkeit verändern. Stattdessen sorgt sie dafür, dass Menschen mit ernsthaftem Interesse an Nachhaltigkeit im privaten KleinKlein beschäftigt werden und sich nicht an Prozessen beteiligen, die Gesellschaftsstrukturen verändern. Entscheidungen, die für das Erreichen der Klimaziele und das nachhaltigere Leben vieler relevant sind, werden so weiter von Menschen getroffen, die kein Interesse daran haben, Strukturen so signifikant zu verändern wie es nötig wäre.

Was ist also zu tun? Das UNESCO Programm „Bildung für nachhaltige Entwicklung: die globalen Nachhaltigkeitsziele verwirklichen (BNE2030)“ fordert, Bildung neu und politischer zu denken. Die erste Zielgruppe von BNE2030 sind: Entscheidungsträger*innen in Politik und Wirtschaft sowie Leiter*innen von Organisationen und Institutionen, erst dann kommen Eltern, Bildungsmultiplikator*innen, Jugendliche und Gemeinschaften.

Das neue UNESCO-Programm sagt: „BNE in Aktion ist grundsätzlich Bürger*in-sein in Aktion“ (4.7) und macht so deutlich, dass das Verständnis von „transformativem Handeln der Einzelnen“ in der BNE keinesfalls nur auf Konsum begrenzt ist, sondern sich auf gesellschaftliches Engagement beziehen muss. BNE muss sich auf die tieferen strukturellen Ursachen einer nicht nachhaltigen Entwicklung konzentrieren.“ (4.8) „BNE muss in Zukunft die Lernenden dazu ermutigen, Werte zu erkunden, die eine Alternative zu Konsumgesellschaften bieten könnten, wie etwa Suffizienz, Fairness und Solidarität. BNE muss auch die nicht nachhaltigen Produktions- und Konsummuster der gegenwärtigen Wirtschaftsstrukturen direkter beeinflussen. Es gilt, Menschen dazu zu ermächtigen, sich unmittelbar an politischen Prozessen und Entscheidungen zu beteiligen.“ (4.10)

Menschen müssen also durch BNE nicht lernen, wie sie nachhaltiger konsumieren, sondern wie sie sich politisch in ihrem Umfeld einbringen können. Abschließend wird zu den notwendigen Rahmenbedingungen unter anderem ein Whole Institution Approach gefordert.

(Jugend-) Gruppen gehen vom Fußabdruck weg hin zum Engagement mit dem Handabdruck.

Das Engagement mit dem Handabdruck verändert bleibend Strukturen für mehr Nachhaltigkeit und dies auf immer höheren Ebenen. Es lässt sich nicht mit einfachen Lösungen abspeisen (z.B. Müll trennen), sondern strebt nach ambitionierten Lösungen: Das Müllfreie Lager oder die E-Mobile Dienstwagenflotte mit Strom vom Kirchendach.

Nicht mehr die einmalige Aktion „Klimaaktionstag“, sondern bleibend veränderte Strukturen helfen uns als Jugendgruppen und als Gesellschaft Nachhaltigkeit tatsächlich zu verankern. ÖPNV als Standard für Mobilität, Ökostrom in Kirche und Jugendhaus, Beschlüsse zu Treibhausgasneutralität sind hier erste Schritte. Engagement mit dem Handabdruck denkt politisch-strategisch: Welches sind wirklich nachhaltige Ziele – Ambitionen steigern -, wer ist da verantwortlich und mit wem – strategische Allianzen - kann ich hier in Gesprächen und bei öffentlichen Aktionen/Briefen etc. am meisten erreichen? Klimapolitisch aktive Jugendgruppen üben Engagement im realen politischen Raum, im Gespräch mit Abgeordneten und Bürgermeister*innen, mit Leiter*innen von Organisationen wie den Stadtwerken… Es gibt viel zu tun! 

Anregungen auf: www.handprint.de und www.handabdruck.eu 

Vier Schlussfolgerungen können wir für unsere weitere Arbeit ziehen:

  1. Wandel: Bei vielen Menschen ist in der Corona-Krise die Sehnsucht nach mehr Sicherheit gestiegen. Mehr Sicherheit wird es jedoch nur durch grundlegenden Wandel geben. Daher ist es auch eine Aufgabe von Bildung und Jugendengagement, neue Bilder einer besseren Zukunft und vor allem Gestaltungsmöglichkeiten für den Weg dorthin zu erarbeiten und aufzuzeigen.
  2. Leiden: Gerade Jugendliche leiden persönlich und existentiell an den sichtbaren und noch stärker kommenden Folgen der Klimakrise. Dieses Leiden gilt es ernst zu nehmen und in Antrieb für gesellschaftliches Engagement umzuwandeln. Denn nicht bei denen, die die Krise wahrnehmen, liegt etwas im Argen, sondern bei denen, die sie verursachen, und denen, die ihre Verantwortung nicht zum raschen und entschiedenen Abmildern der Klimakrise nutzen.
  3. Empowerment: Damit unsere Bildungsarbeit politisch bildet und wirksam zu einer nachhaltigen Entwicklung beiträgt, lernen Jugendliche, wie sie bestmöglich Entscheidungsträger:innen kontaktieren und überzeugen. Entscheidungsträger*innen sind so immer direkte oder indirekte Zielgruppe unseres Engagements.
  4. Aktion: Zum Mitgestalten dieses Wandels brauchen Lernende Wissen über Zusammenhänge, aber auch praktische Fähigkeiten für politisches Handeln. Diese lernen sie am besten in realen politischen Situationen. Wer mit sich mit seiner Gruppe für ein Anliegen eingesetzt hat, erfährt: Motivation kommt aus der Aktion heraus.

Du willst mehr über transformative Bildung erfahren und den Einsatz ausprobieren? Komm zu den Strategietagen: Transformation gestalten lernen... - Strategietage für Bildungs- und Nachhaltigkeitsakteur:innen. Vom 16.09, 16:30h bis 18.09.2022, 13h im Haus Wasserburg, Vallendar bei Koblenz. Info & Anmeldung:  https://www.germanwatch.org/de/87255

Autor*innen: Frieda Meckel, Stefan Rostock, BNE-Team Germanwatch e.V.

Theoretische Hintergründe und praktische Anwendungsideen zu transformativer Bildung rund um den Hand Print: www.handprint.de

Der Germanwatch BNE-Newsletter: https://www.germanwatch.org/de/newsletter-anmeldung-transformation-gestalten-lernen

UNESCO BNE2030: https://www.unesco.de/bildung/bildung-fuer-nachhaltige-entwicklung/unesco-programm-bne-2030

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