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Porträt von Ursula Dinges, der ersten weiblichen Vorsitzenden des Landesjugendringes Rheinland-Pfalz e.V.

am 01.07.2025 - 10:16 Uhr

Interview mit Ursula Dinges vom 16.05.2025

Am 16.05.25 trafen wir uns mit Ursula Dinges, der ersten weiblichen Vorsitzenden des Landesjugendringes Rheinland-Pfalz e.V. (LJR), um mit ihr über ihren Werdegang, ihre Zeit in der Kinder- und Jugendarbeit und im Vorstand des LJR zu reden.

Ihre Kindheit

Ursula Dinges wuchs zunächst in Worms auf. Früh musste sie auf ihre Geschwister aufpassen, da ihre Eltern durch ihre Arbeit oft abwesend waren. Anschließend ging sie auf ein Mädchen-Gymnasium, welches sie mit Mittlerer Reife abschloss, gegen den ausdrücklichen Wunsch des Mathelehrers doch noch weiterzumachen.

Pfadfinder*innen:

Zu den Pfadfinder*innen kam Ursula Dinges mit 16 Jahren durch eine Freundin. Die Pfadfinder*innen waren für sie wie eine Befreiung. Zunächst gab es nach dem Krieg keine Pfadfinder*innen in Deutschland, da die Uniform sehr an die der Hitlerjugend erinnerte. Doch glücklicherweise gab es eine aktive Pfadfinderschaft im Saarland. Die Leiter*innen der Pfadfinder*innengruppen aus dem Saarland schulten dann auch die neuen Pfadfinder*innen in Rheinland-Pfalz – so auch die junge Ursula Dinges und ihre Freundinnen. Am Anfang bestand die Pfadfinderinnengruppe nur aus Gymnasiastinnen, da die anderen Kinder sich den Beitrag meist nicht leisten konnten und andere Sorgen hatten als sich als Pfadfinder*innen zu engagieren.

Die Pfadfinder*innen waren für Ursula Dinges der richtige Ort sich auszuleben, da die Jugendgruppen unter der Obhut der Gemeinden und ihrer Pfarrer lieber gesittetere Jugendliche haben wollten. Im Gegensatz zu den Messdienern erhielten die Pfadfinder*innen aber eine Ausbildung für die Betreuung von Kindern, betont Ursula Dinges.

Aktion der Pfadfinder*innen

 

Die meisten Pfadfinder*innen zogen nach Abschluss der Schule aus Worms weg, was in Worms zu Nachwuchsproblemen führte. Ursula Dinges selbst wechselte nach der 10. Klasse auf eine Höhere Handelsschule, in der sie viel über die Finanzverwaltung lernte. Nach einem erfolgreichen Abschluss studierte sie Theologie. Als sie für ihr Studium nach Mainz zog, übernahm sie dann Verantwortung für einen Pfadfinder*innenstamm.

Ihr Weg in die Verbandsarbeit:

Das Wissen über die Finanzverwaltung half Ursula Dinges in den Verbänden, in denen meist nur Ehrenamtliche tätig waren, die Kassen zu prüfen und diese auf Vordermann zu bringen. Zuvor wurde meistens nur eine „Schuhkarton-Buchhaltung“ geführt, indem alle Rechnungen und Belege einfach an einem Ort gesammelt wurden. Dadurch hatte sie bei den Jugendverbänden den Ruf, dass sie die Kassen wieder in Ordnung bringt. Durch diesen Ruf bekam sie die Gelegenheit beim Bundesverband der Pfadfinder*innen die Rechnungsprüfung zu machen und dadurch die höhere Verbandsebene kennenzulernen.

1986 kam sie in den Vorstand des Landesjugendringes, der bis auf den Geschäftsführer fast nur aus jungen Ehrenamtlichen bestand. Zugleich wurde sie durch den LJR in den Rundfunkrat delegiert. Sie betont, dass sie durch diese Delegation viele Personen des politischen und öffentlichen Lebens kennenlernte, und dass dies bei der Arbeit für die Anliegen des LJR sehr nützlich war.

Vollversammlung des LJR in Worms 1987

Im Jahr 1987 kandidierte sie auf Zuspruch der kleineren Mitgliedsverbände für den Posten der 1. Vorsitzenden für den LJR und bekam den Zuspruch der Vollversammlung. So wurde sie von den Delegierten als erste Frau in dieses Amt gewählt.

In ihrer Zeit als 1. Vorsitzende war vor allem das Thema der Finanzierung der Jugendförderung präsent. Um diese Forderung auch bei der rheinland-pfälzischen Landesregierung durchzusetzen, die ihr zunächst nicht sehr wohlgesonnen war, zog sie nach Anmeldung mit einer Gruppe von Kindern aus den Jugendverbänden vor den Landtag, um bei den jugendpolitischen Sprechern der Landtagsparteien höhere Zuschüsse zu fordern. Die Forderung bekräftigten sie mit der Androhung, dass ohne die notwendige finanzielle Unterstützung, die Zeltlager der Kinder und Jugendlichen in der Zukunft in den Vorgärten der Politiker*innen ausgerichtet werden müssten. Durch die mediale Begleitung dieser Aktion, wie dem Südwestfunk (heute SWR), gelang es die Forderungen zu erreichen.

Aktion der Pfadfinderinnen für Schüler*innen in Rwanda im Juni 1989

Ausschnitt von der Durchfahrterlaubnis für das Hambacher Fest der Jugend 1990

Als eine besondere Veranstaltung in ihrer Zeit als 1. Vorsitzende des LJR, hebt Ursula Dinges das Hambacher Fest der Jugend im Jahr 1990 hervor. Eine Veranstaltung in der sie nicht nur den ökumenischen Gottesdienst durchführte, sondern welche auch ein Ort der Zusammenkunft der deutsch-französischen sowie der deutsch-polnischen Jugend war. Das Thema der Veranstaltung war: Wir bauen das Haus Europa.

Eröffnung der Medienwerkstatt in Trier am 13.04.1989

Nach zwei Legislaturen als 1. Vorsitzende und der Arbeit an vielen Themen und in vielen Gremien, trat Ursula Dinges nicht mehr zur Wiederwahl an, um für ihre Familie und die berufliche Karriere mehr Zeit zu haben. Beruflich arbeitete sie zuletzt, bis zum Eintritt in den Ruhestand, als Seelsorgerin in einer Klinik in Wiesbaden.

Und heute?

Wir sprachen mit Frau Dinges auch über die heutige Zeit. Sie betont, dass heute wie damals Kinder und Jugendliche wieder mehr für die Formate begeistert und mitgenommen werden müssten. Mithilfe von neuen Ideen und engagierten und motivierten Jugendlichen, die zeigen, wie gewinnbringend solche Veranstaltungen sein können.

Im politischen Bereich bekräftigt sie, wie wichtig es ist, klarer die politischen Forderungen zu stellen und diesen Nachdruck zu verleihen. Insbesondere mediale Aufmerksamkeit sei wichtig, um den Entscheidungsträgern die Ernsthaftigkeit der Forderungen zu verdeutlichen.

Zudem erzählt sie wie wichtig es sei, Veranstaltungen zu organisieren, bei denen Menschen aus der ganzen Welt die Möglichkeit haben sich zu begegnen, andere Länder zu bereisen und kennenzulernen. Denn durch internationale Treffen wird den Menschen auf der Welt wieder ein persönliches Gesicht gegeben. Sie betont: „Wenn man das Gesicht sieht, wenn man die Stimme hört, ist das kein Fremder mehr. […] Und das ist was ich unseren Jugendlichen wünsche: dass diese ganze Fremdenphobie aufhört, indem man einfach die Menschen kennt“.

Treffen der Sportjugend mit Gästen aus Japan in Wiesbaden

 

Wir bedanken uns an dieser Stelle noch einmal herzlichst bei Frau Ursula Dinges für die Teilnahme an diesem Gespräch.

Das Interview wurde durch Steffen Hundsdörfer (Praktikant LJR) geplant und umgesetzt.

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